Nicht in jedem Fall beschäftigt sich ein Unfallanalytiker mit den Folgen eines Verkehrsunfalles oder einer amtlichen Messung (Geschwindigkeit, Abstand, Rotlicht). Manchmal sind auch “nur” technische Sachverhalte mit verkehrstechnischer Relevanz zu untersuchen. In spezifische Sachverhalte muss sich der Unfallanalytiker mitunter erst einarbeiten, um gewünschte Lösungen zu präsentieren. Hier ein paar Beispiele aus der Praxis:

  • Nach §1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung sind Fahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit > 6 km/h zulassungspflichtig. Der Besitzer eines fast 40 Jahren alten Industrieschleppers (DFZ 632/1) aus DDR-Produktion sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass sein auf unter 6 km/h gedrosseltes Fahrzeug tatsächlich eine höhere Geschwindigkeit erreichen würde und damit zulassungspflichtig sei.
    Nach der gründlichen technischen Untersuchung des Fahrzeuges mit Feststellung und Dokumentation des tatsächlichen Zustandes (Motor, Getriebe mit Anzahl schaltbarer und gesperrter Gänge, Bereifung usw.) wurde auf ebener Fahrbahn mittels Lasermessgerät eine definierte Fahrstrecke abgemessen und mit mehreren Stoppuhren die Passierzeiten des mit “Vollgas” im höchsten schaltbaren Gang fahrenden Industrieschleppers ermittelt. Im Ergebnis konnte die im vorgestellten Zustand tatsächlich erreichbare Höchstgeschwindigkeit mit 4,9 km/h
    [0,1 km/h] angegeben werden. Dieses Ergebnis wurde in einem schriftlichen Gutachten nachvollziehbar dokumentiert und versetzte den Fahrzeugbesitzer in die Lage, den Vorwurf auf der Grundlage nachvollziehbarer Anknüpfungstatsachen zu entkräften
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  • Der Käufer eines hochwertigen Pkw stritt im Rahmen eines Rechtsstreits mit der Verkäuferin über den technischen (Norm-)Zustand des gebraucht erworbenen Fahrzeuges. In bestimmten Betriebszuständen würden - für dieses Fahrzeugsegment untypische - Vibrationen am Lenkrad, dem Schalthebel und dem Bodenblech auftreten, die nach Ansicht des Klägers einen Mangel begründen und ihn zur Rückabwicklung des Kaufes berechtigen würden. Mehrfache Werkstatttermine bei der Beklagten führten nicht zu einer dauerhaften Veränderung des kritisierten Zustandes. Im Auftrag eines Landgerichtes sollte geklärt werden, ob sich ein vom Kläger als störend empfundener Zustand tatsächlich technisch begründbar feststellen lässt.
    Nach eingehender Analyse der Problematik und Dokumentation des technischen Zustandes wurden mithilfe mehrerer Vibrationsdatenlogger in umfangreichen Fahrversuchen die tatsächlichen Bauteilschwingungen im zu untersuchenden Pkw aufgezeichnet und ausgewertet. Mit baugleichen Fahrzeugen (und weiteren hochwertigen Pkw) wurden auf den identischen Fahrbahnabschnitten Vergleichsmessungen durchgeführt und die Ergebnisse interpretiert. Durch zeitliche Verknüpfung der eingesetzten Datenlogger waren für jeden Messzeitpunkt der konkrete Ort des Fahrzeuges (GPS-Koordinaten), dessen Bewegungszustand (Geschwindigkeit, Beschleunigung usw.) und der Status der Vibrations-Datenlogger festzustellen. Ziel der Untersuchungen war es festzustellen, ob die Schwingungen am Lenkrad, dem Schalthebel und dem Bodenblech/Fußraum des Kläger-Pkw mit deutlich erhöhten Werten vom Schwingungsverhalten anderer Fahrzeuge an den identischen Positionen abwichen. Im Ergebnis der Untersuchungen war festzustellen - und mit konkreten Messdaten zu belegen - dass in bestimmten Fahrzuständen am Bodenblech des Pkw tatsächlich Schwingungen / Vibrationen auftraten, die im Vergleich zu anderen Fahrzeugen mit identischer und ähnlicher Konstruktion als ungewöhnlich intensiv zu charakterisieren waren. Als Ursache dieser Schwingungen konnte eine nicht “rund laufende” Kardanwelle benannt werden. Nach Austausch der Kardanwelle wiederholte Messungen zeigten messbar geringere Schwingungen mit einem als “normal” zu charakterisierenden Zustand.
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  • Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens wurde einem Betroffenen der Vorwurf gemacht, mit einem Sattelzug eine mautpflichtige Straße ohne entrichtete Maut benutzt zu haben. Als Beweismittel lag u.a. der Kontrollbericht des Bundesamtes für Güterverkehr vor. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene  Einspruch ein,  den er wie folgt begründete:
  • Vor Fahrtantritt habe der Betroffene die OBU (On-Board-Unit - Mauterhebungsgerät) kontrolliert und dabei ordnungsgemäße Funktion mit grüner Kontrollleuchte festgestellt. An der Anschlussstelle Ragow (BAB A13) sei der Sattelzug des Betroffenen von einer Kontrolleurin des BAG angehalten worden. Diese habe dem Betroffenen mitgeteilt, dass eine automatische Einbuchung der OBU in das Mautsystem nicht erfolgt sei. An der OBU habe die rote LED aufgeleuchtet und Fehlfunktion signalisiert. Aufgrund eines ungünstigen Einbauortes der OBU mit visuellen und akustischen Wahrnehmungsdefiziten habe der Betroffene eine Fehlfunktion bzw. einen Funktionsausfall der OBU während der Fahrt nicht bemerken können. Da das Mauterhebungsgerät bei Fahrtantritt ordnungsgemäße Funktionen angezeigt hätte, sei dem Betroffenen eine Verletzung der Sorgfaltspflicht nicht vorzuwerfen.

    In einem schriftlichen Sachverständigengutachten sollten Feststellungen zur Funktion der OBU (Mauterhebungsgerät), insbesondere bzgl. möglicher Wahrnehmbarkeitsdefizite getroffen werden.

    Nach eingehender Analyse der Problematik und Dokumentation des technischen Zustandes des Lkw sowie der Funktionsweise des Mauterhebungsgerätes wurden mit dem betreffenden Lkw Versuchsfahrten mit Wechsel von nicht mautpflichtigen und mautpflichtigen Straßen durchgeführt und die Funktionsdetails der OBU mit den entsprechenden Signalen (akustisch und visuell) bei Statuswechseln dokumentiert. Zustandsänderungen der von der OBU abgegeben Signale wurden bei wechselnden Lichtverhältnissen aus der Sichtposition des Fahrzeugführers mit folgendem Ergebnis dokumentiert.

    Die Funktionen und der räumlich ungünstige Einbauort des Mauterhebungsgerätes (OBU) im LKW des Betroffenen waren aus technischer Sicht geeignet, dem Fahrzeugführer bei einem Funktionsfehler von der OBU ausgesandte akustische Signale und wechselnde Statusanzeigen farbiger LED, sowie Display-Textmeldungen nur mit eingeschränkter Signalwirkung darzubieten. Der Einbauort und die von der OBU im Fehlerfall nur einmalig kurzzeitig ausgesandten Signaltöne begünstigen bereits bei normalen Umgebungsgeräuschen und wechselnden Lichtverhältnissen eine z.T. erheblich eingeschränkte Wahrnehmbarkeit der Statusanzeigen und Warnmeldungen der OBU bis hin zur Nichtbemerkbarkeit für den Fahrzeugführer.

    Das schriftliche Gutachten mit ausführlicher Bilddokumentation wurde dem Amtsgericht vorgelegt und führte im Ergebnis zur Einstellung des Bußgeldverfahrens.

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technische Beratung

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